Beschlossen und verkündet

Kollektivdenker gegen Einzelkämpfer, Zahlungsmoral gegen Reizüberflutung, Bürgernähe gegen Behördentrotz...
Wir geben die Hoffnung nicht auf!

Letzte Mahnung und mit freundlichen Grüssen,
Ihr Amtsgerichtsschimmel.

Ja, ich bin 'so einer'. Einer, der den ganzen Tag Kaffee trinkt, hin und wieder seine Bleistifte anspitzt und damit nicht gerade produktiv tätig ist. Ständig irgendwo unterwegs - privat natürlich, ständig telefonisch nicht erreichbar und ständig im dämmernden Halbschlaf belastet er nur die Staatskasse, ergo unser aller eh' schon leeres Säckerl, und das auch noch mit (arbeits)lebenslanger Garantie. So etwas gehört wegrationalisiert... Und überhaupt, diese ganze Bürokratie. Zuerst 'ne ganze Bibliothek von Formularen - die eh' kein Mensch versteht - ausfüllen und dann heisst es warten. Der Antrag wandert ja eh' erstmal auf den grossen Stapel, oder, was wahrscheinlicher ist, darunter. Und wenn 'er' schliesslich endlich zur Bearbeitung auf dem zuständigen Schreibtisch landet, findet der Sesselpupser dahinter bestimmt irgendeinen Grund, warum er ihn jetzt noch nicht bescheiden kann. Oder er weist ihn gleich zurück. Und die Prozedur geht wieder von vorne los, wieder Formulare (die wieder kein Mensch versteht), und wieder warten... Was tun 'die Säcke da' eigentlich? So oder so ähnlich geistert in den Köpfen von vielen mehr oder wenig klardenkenden Mitmenschen das Bild des deutschen Beamten noch heute munter umher.

Tja, lieber Mitbürger, ganz so ist es ja nicht. Sicher, es gab Zeiten (die ich nicht mehr erlebt hab') in deutschen Amtsstuben, wo die Frühstückspause von acht bis zwölf andauerte und die Mittagszeit von zwölf bis vier. Und zwischen den Pausen 'Bitte nicht stören'! Immerhin gehörte der Beamte von 'damals' zu den schnellsten: Um vier Feierabend, aber um halb vier schon zuhause... DAS hat ihm so schnell keiner nachgemacht. Aber in den letzten Jahrzehnten hat sich auch bei 'uns' so einiges getan. Wir arbeiten auch, und mittlerweile 41 Stunden in der Woche. Manchmal auch mehr. Wir nehmen uns die Freiheit heraus, dass wir morgens mal in unser Käse-Brötchen beissen (neben dem obligatorischen Kaffee, den trinken wir immer noch!) und zur Mahlzeit sogar das Büro verlassen. Schliesslich gönnt uns Vater Staat 'ne halbe Stunde Pause am Tag, und die wird noch nicht mal bezahlt. Und es wird rationalisiert, was das Zeug hält. Am Personal natürlich. Und irgendwann ist der Tag zuende, die Nacht beginnt, und es liegen immer noch unbearbeitete Anträge auf den fast schon antiken Schreibtischen herum, die dann auf den nächsten Tag warten. Und in der nächsten Nacht wiederholt sich das ganze dergestalt, dass diesmal sogar noch etwas mehr von der jungfräulichen Papiermasse dem nächsten Tag entgegenschlummert. Und so weiter. Bis dann der Kollege seinen wohlverdienten (und dreiwöchigen) Sommerurlaub antritt, und dann verdoppelt sich die liegenbleibende Menge sogar noch.

So sieht's aus, und der Bürger wundert sich, warum das alles so lange dauert.

Aber IHR wolltet ihn ja, den 'schlanken Staat'! Und den Preis zahlt ihr jetzt leider mit. Schliesslich sind wir kein Wirtschafts- unternehmen, das so einfach die Preise anheben kann. Wir können auch nicht mal eben Konkurs anmelden und nach kurzer Zeit frisch und frei von allen Altlasten von vorn' beginnen. Wir müssen irgendwie weiter funktionieren, egal wie gross die Zahl hinter dem 'Minus' auch sein mag. Und wir versuchen das so bürgernah und grosszügig wie möglich zu machen, hat man uns doch grosszügigerweise schon viele technische Hilfsmittel der Neuzeit zur Verfügung gestellt. Nur viel zu spät und leider hat der Staat auch dabei mehr auf's Portemonnaie als auf Funktionalität geschaut und manches 'Hilfs'-Programm in unserer PC-Gurke hilft nicht wirklich. Und dann ist wieder die gute alte Handarbeit gefragt, und die können wir gottseidank ja noch. Macht euch mal nix vor, ihr seid verwöhnt! Ihr habt euch so daran gewöhnt, alles, was das Herz begehrt bequem von zuhause aus per Mausklick in eueren Besitz zu ordern. Und das 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche. Und spätestens in drei Tagen klingelt der Postbote mit dem Objekt der Begierde in der Hand. Nur, WIR haben das leider nicht. Und es wird auch nicht kommen, macht euch da keine falschen Hoffnungen. Wir sind 'ne Behörde und kein Versandhaus. Wir werden keine verkaufsoffenen Sonntage bieten und auch keinen 'Drive-Inn' eröffnen. Aber, wir haben ja ganz normale Öffnungszeiten, und dann "werden Sie geholfen". Wegschicken tun wir eh' keinen, bei uns ist den ganzen Tag 'auf'. Und das ist doch schon was! Lauf' mal mittags nach zwölf zum Finanzamt und du kannst dir die Finger blutig klopfen... da macht keiner auf. Höchstens das Fenster und du wirst freundlich auf die ausgeschriebenen Publikumszeiten hingewiesen. Wir sind doch auch nur Menschen. Und dabei solche, die sich die vielen Falltüren und Boshaftigkeiten unserer Gesetzgebung nicht ausgedacht haben, sondern sie nur durchsetzen müssen, weil wir sonst selber Ärger bekommen. Wir finden's auch nicht lustig, Tag für Tag irgendwelche Mahnungen, Rechnungen oder sonstige unan- genehme Post versenden zu müssen, aber es ist nunmal unsere Pflicht. Wir haben's sogar schwören müssen. Also, tobt euch anderswie, vorallem aber anderswo aus, wenn Justitia mit aller Härte und den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln ihr Schwert über euer Haupt erhoben hat. Es geschieht 'im Namen des Volkes', und das habt ihr alle mitunterschrieben. Meistens habt ihr eh' selbst Schuld, wenn euch die 'Letzte Erinnerung' unter Androhung von Zwangsmassnahmen die Feierabendlaune verdirbt. Wir haben schon viel Geduld, aber wenn ihr uns und unsere ernstgemeinten Zuschriften ignoriert und das vielleicht noch über Monate hinweg, dann ist irgendwann Schluss mit Lustig. Was würdet IHR tun, wenn ihr euerem Cheffe monatelang hinterherlaufen müsst, damit er endlich die Moneten für die letzten drei Monate Maloche auf den Tisch legt?

Und frustriert sind wir doch alle. Über den TEuro und das alles jetzt mindestens doppelt so viel kostet als zur 'GutenAltenDMZeit' und über die Regierung, die das alles verschuldet hat und über den Nachbarn, dass er immer gerade samstags, wenn wir unser Nachmittagsschläfchen halten wollen, Rasen mähen muss... und überhaupt! Und dann kommen diese staatlichen Blutsauger und wollen noch an unsere letzten Cents, die wir sicherheitshalber für 'schlechte Zeiten' im Wäschestapel versteckt haben. Aber alles hat eben seinen Preis, egal ob's das Bierchen abends in der Kneipe ist oder der Besuch beim Mattenschneider. Da siehst (oder schmeckst) du noch, wofür du deine Kröten hinblätterst. Anders sieht's mit den vielen staatlichen Leistungen aus, und ob die Bundeswehr mit neuen Oberhemden ausgerüstet wird oder Oberpumpelsbach endlich seinen langersehnten Autobahn- anschluss bekommt, ist dir noch verhältnismässig schnuppe. Aber dein Nachbar (der mit dem Rasenmäher) kriegt seit 'nem halben Jahr Stütze, kloppt jedoch wochentags Steine auf der Baustelle im Nachbarort - schwarz natürlich - da wird dein Hals schon dicker. Denn DU wirst an allen Rechnungen beteiligt. Und dann noch die persönlichen Zahlungsbescheide, weil dieses Wegelagerergesindel mal wieder morgens um acht in der Dreissigerzone vor dem Kindergarten geblitzt hat...

Ja, so angenehm ist das Leben nunmal nicht, auf jeden Fall nicht immer. An die Reizüberflutung der letzten Jahrzehnte haben wir uns schon derart gewöhnt, dass jegliche Komplikationen in Form von unangenehmen Einflüssen, die logischerweise hin und wieder auf uns einströmen, zuerst mal als 'total abnorm' weggeschoben werden. Schliesslich leben wir ja 'nur einmal' (und 'heute'). Aber die 'fetten Jahre' sind vorbei, endgültig, und so manch' einer muss den Gürtel wieder etwas enger schnallen (ein paar Pfunde weniger schadet einigen sowieso nicht...). Aber komm' erstmal von dem einmal liebgewonnenen Standard wieder runter, vor allem, wenn du früher schon leicht über deine Verhältnisse gelebt hast, deine laufenden Kreditverträge mittlerweile zwei Ordner füllen und dein häufigster Besuch der Kuckucks-Kleber ist.

Gottseidank gibt's ja jetzt die Insolvenz, so was wie ein Konkursverfahren für 'ne pleite gegangene Firma, aber für dich als Privatmensch. Du kannst also ruhig weiterbaden, Urlaub auf Pump machen, und ein neuer Benz wär' ja auch mal wieder fällig. Auf Pump natürlich. Und irgendwann klemmst du dir deinen Karton voller Mahnungen und Vollstreckungsbescheide unter'n Arm und gehst zu deinem Insolvenzgericht mit einer verwirrten und mitleiderregenden Miene, die deinen baldigen Nerven- zusammenbruch vermuten lässt. Dann folgen allerdings ein paar magere Jahre für dich, aber danach bist du 'frei'. Und das ganze ist auch noch legal. Scheiss' auf diese Apostel, die darin den Untergang von Zahlungsmoral und Ehre sehen, denn schliesslich förderst du ja erstmal den wirtschaftlichen Aufschwung in deinem Land. Und natürlich deinen eigenen. Wie schon gesagt, du lebst nur einmal...

Es ist ja auch einfach geworden. Alles, was du noch nicht hast, aber glaubst, haben zu müssen, steht in unmittelbarer Sichtweite deiner gierigen Augen. Wenn auch nicht dreidimensional, aber spätestens dann, wenn du in den unendlichen Weiten der Datenautobahnen im Netz surfst, wird dir bewusst, was deinem Leben schon immer gefehlt hat. Und mit wenigen Mausklicks deiner feuchten Finger bist du schon Quasi-Besitzer der angepriesenen 'Supermega- spitzenangebote'. Heute kaufen, morgen bezahlen. Oder besser erst übermorgen. Vielleicht auch gar nicht... Aber die Rechnung kommt. Morgen. Oder erst übermorgen. Aber irgendwann bestimmt... Und irgendwann geht dieselbe nicht mehr auf, weil sie sich auf wundersame Weise so vermehrt hat, dass sie dein Budget für die nächsten vier Jahre sprengen würde, wenn du die Hälfte davon begleichst. Ein Teufelskreis, und langsam aber sicher wirst du unzufrieden mit dem ganzen. Dabei war doch alles sooo einfach...

Und dann treten WIR an die Oberfläche, indem wir dich daran erinnern, dass du irgendwann mal den berühmten Mausklick zu viel gemacht hast. Und die, die folgten, auch. Und an UNS lässt du jetzt deine Wut über deine eigene Doofheit aus...

Aber trotzdem immer noch mit freundlichen Grüssen,
Ihr Amtsgerichtsschimmel.