Warum ein kleiner Vogel hilft, die Geduld endlich werden zu lassen.

Schon kurz vor sieben heute früh und der "Pennerdavorn" fährt mit einer an Körperverletzung grenzenden Gemütlichkeit vor mir auf der Landstrasse her. Und dabei wollte ich gerade heute besonders früh in der Firma sein. Um halb acht der erste Kundentermin und vorher noch das obligatorische Morgen-meeting. Jetzt bleibt er noch fast stehen. "Steigen Sie aus und tragen sie ihr Auto vorsichtig um die Kurve." Mit dieser Empfehlung nebst einer dazu passenden Handbewegung entlasse ich ihn schliesslich in eine andere Richtung. "Puh, das dauert ja heute mal wieder 'ne Ewigkeit" murmele ich, während ich auf die schon dicht befahrene Autobahn auffahre.

Eine Ewigkeit. Wenn da dieser kleine Vogel nicht wäre...

Selbsterfüllende Prophezeiungen haben die Eigenschaft, auch wirklich einzutreten und natürlich genau dann, wenn man sie am wenigsten brauchen kann. "Wetten, ich sitz' wieder 'ne Ewigkeit im Wartezimmer meines Zahnklempners, weil heute die halbe Stadt unplanmässige Zahnschmerzen beschlossen hat!" Natürlich ist's dann auch so. Natürlich hock' ich schlappe zweieinhalb Stunden zwischen den letzten zwölf Apotheken-Rundschauen und gleich vielen schmerzverzerrten Gesichtern meiner Mitpatienten auf dem Wartezimmerstuhl.

Eine Ewigkeit. Aber der kleine Vogel ist ja da...

Schon zwei Tage her, dass ich ihr geschrieben habe. Oder war es doch erst gestern? Sicherheitshalber öffne ich zum dritten Mal innerhalb einer Stunde die betreffende mail, aber das Sendedatum zeigt erbarmungslos den 28. an. Vorgestern! Und noch immer keine Antwort von ihr. Vielleicht hat sie sie gar nicht bekommen; vielleicht ist ihr Computer nun endgültig abgestürzt; vielleicht...?? Aber vielleicht hat sie auch gar keine Zeit? Oder keine Lust? Und ich hab' keine Lust, eine Ewigkeit auf ihre Antwort zu warten.

Eine Ewigkeit. Und schon wieder dieser kleine Vogel...

Ach ja, der kleine Vogel. Er taucht immer genau dann auf, wenn ich eine Ewigkeit unterwegs bin. Er ist unscheinbar und grau und klein. Aber er ist flink. Und viel wichtiger - er ist zuverlässig. Jeden Tag ist er da. Wie aus dem Nichts taucht er aus dem Blau des Himmels; dort, wo es keine Wolken mehr gibt. Dort, wo die Spitze des Berges endet. Nicht irgend ein Berg. Er muss höher sein als alle anderen, und sogar höher als die Vorstellung, das je ein Berg so hoch sein kann. Jeden Tag besucht der kleine Vogel den Berg, setzt sich auf dessen Spitze und beginnt, seinen Schnabel zu wetzen. Nur wenige Augenblicke, bevor er wieder in des Himmels Blau verschwindet. Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr...

Und wenn der kleine Vogel mit seinem Schnabel den ganzen Berg bis zu seinem Fusse abgewetzt hat, ist die erste Sekunde der Ewigkeit vorbei.

Tja, und während ich so darüber nachdenke, rollt mein Auto schon auf den Firmenparkplatz und auf meinem Monitor erscheint ein kleines Fenster "You have mail".